Auf einer der Bänke der Hohen Promenade in Zürich saßen an einem wunderschönen Maimorgen zwei junge Mädchen und sahen auf das herrliche Bild, das der blaue See mit seinen lachenden Ufern voll üppig blühender Blumen und Sträucher im strahlenden Morgenlicht bot. Die kleinere der beiden Damen hätte ein Fremder gewiss in den südlichsten Süden Europas versetzt, so schwarz war ihr krauses Haar, so dunkel ihre Gesichtsfarbe. Der noch rötere Mund war wohl etwas zu groß und zu voll, um schön genannt zu werden, besonders, weil feine Linien um seine Winkel Unzufriedenheit verrieten, wenn er in Ruhe war, was freilich selten genug geschah. Auch die mandelförmigen Augen, schwarz wie Schlehdornbeeren, waren zu unruhig im Blick; immerhin wirkte dieses Gesichtchen im ganzen schon durch den Reiz der Jugend anziehend. Neben der Gespielin ihrer Kindertage und späteren Freundin aber rückte Melanie Oster, schon ihrer dürftigen Kleidung wegen, doch sehr in den Hintergrund. Die lichte Erscheinung der Freundin schien ein Typ des hohen Nordens zu sein. Doch brauchen veilchenblaue Augen und wie Platin schimmerndes Haar nicht unbedingt Attribute des Nordens zu sein. Es ist der Schnitt der Züge, der dem Antlitz das Gepräge gibt, und dieser wies in den klaren und edlen Linien, der niederen Stirn, die mit der feinen, leicht gebogenen Nase ein wundervolles Profil ergab, starke Anklänge an den lateinischen Typus auf, wie wir ihn oft an den Büsten des alten Roms bewundern, nur dass er auf diesem jungen Antlitz hier durch einen Hauch von Lieblichkeit und Herzensgüte verklärt wurde, der den klassischen Vorbildern oft mangelt. Zu diesen physiognomischen Vorzügen war Violanta Porsenna hoch und schlank gewachsen, ihre einfache, aber vom besten Material hergestellte Kleidung machte auf ihrer tadellosen Gestalt den Eindruck gediegener Eleganz, obwohl sie auch "nur", gleich ihrer Freundin, die Tochter und Enkelin Züricher Professoren war. Großeltern und Eltern waren nicht mehr unter den Lebenden, Violanta war unter der Obhut ihrer väterlichen Großmutter erzogen worden. ...
Auf einer der Bänke der Hohen Promenade in Zürich saßen an einem wunderschönen Maimorgen zwei junge Mädchen und sahen auf das herrliche Bild, das der blaue See mit seinen lachenden Ufern voll üppig blühender Blumen und Sträucher im strahlenden Morgenlicht bot. Die kleinere der beiden Damen hätte ein Fremder gewiss in den südlichsten Süden Europas versetzt, so schwarz war ihr krauses Haar, so dunkel ihre Gesichtsfarbe. Der noch rötere Mund war wohl etwas zu groß und zu voll, um schön genannt zu werden, besonders, weil feine Linien um seine Winkel Unzufriedenheit verrieten, wenn er in Ruhe war, was freilich selten genug geschah. Auch die mandelförmigen Augen, schwarz wie Schlehdornbeeren, waren zu unruhig im Blick; immerhin wirkte dieses Gesichtchen im ganzen schon durch den Reiz der Jugend anziehend. Neben der Gespielin ihrer Kindertage und späteren Freundin aber rückte Melanie Oster, schon ihrer dürftigen Kleidung wegen, doch sehr in den Hintergrund. Die lichte Erscheinung der Freundin schien ein Typ des hohen Nordens zu sein. Doch brauchen veilchenblaue Augen und wie Platin schimmerndes Haar nicht unbedingt Attribute des Nordens zu sein. Es ist der Schnitt der Züge, der dem Antlitz das Gepräge gibt, und dieser wies in den klaren und edlen Linien, der niederen Stirn, die mit der feinen, leicht gebogenen Nase ein wundervolles Profil ergab, starke Anklänge an den lateinischen Typus auf, wie wir ihn oft an den Büsten des alten Roms bewundern, nur dass er auf diesem jungen Antlitz hier durch einen Hauch von Lieblichkeit und Herzensgüte verklärt wurde, der den klassischen Vorbildern oft mangelt. Zu diesen physiognomischen Vorzügen war Violanta Porsenna hoch und schlank gewachsen, ihre einfache, aber vom besten Material hergestellte Kleidung machte auf ihrer tadellosen Gestalt den Eindruck gediegener Eleganz, obwohl sie auch "nur", gleich ihrer Freundin, die Tochter und Enkelin Züricher Professoren war. Großeltern und Eltern waren nicht mehr unter den Lebenden, Violanta war unter der Obhut ihrer väterlichen Großmutter erzogen worden. ...