Gefängnistagebuch 1924

Fiction & Literature, Classics
Cover of the book Gefängnistagebuch 1924 by Hans Fallada, epubli
View on Amazon View on AbeBooks View on Kobo View on B.Depository View on eBay View on Walmart
Author: Hans Fallada ISBN: 9783746728278
Publisher: epubli Publication: May 27, 2018
Imprint: Language: German
Author: Hans Fallada
ISBN: 9783746728278
Publisher: epubli
Publication: May 27, 2018
Imprint:
Language: German

Ich habe die Aufforderung zum Haftantritt seit Wochen erwartet, Tag für Tag, Stunde für Stunde, aber da ich sie nun wirklich in der Hand hielt und den Befehl las, daß ich mich spätestens am 20. Juni, bis abends sechs Uhr beim Gerichtsgefängnis Greifswald zu melden habe, fühlte ich plötzlich mein Herz wie unsinnig klopfen. Ich glaube, ich habe versucht, einige Witze zu Kagelmacher zu machen, die wohl ein wenig schief herauskamen. Dann bin ich in den Garten gegangen und habe mich in die Sonne gelegt. Noch zehn Tage hatte ich Zeit. Und trotzdem ich mich bis zur Stunde am meisten vor dem Entbehren von Zigaretten und Alkohol gefürchtet hatte, waren es doch nicht diese, die ich in den mir verbliebenen Tagen noch besonders wahrnehmen wollte, sondern das war es: Liegen in der Sonne, Meergeschmack und das Erschauen einer schönen Menschengeste. Und es war vielleicht darum, daß ich mir an Km.'s Liebesgeschichte wie beteiligt vorkam, daß es mir genügte, das Bewußtsein solcher Liebe mitzunehmen in die Eiszeit von sechs Monaten. Daß ich erst wieder am 20. Dezember frei sein würde, daß ich den ganzen Sommer, den ganzen Herbst vergessen würde, das schmerzte besonders. Wenn wir zusammen auf das Feld hinausgingen und Km. sich darüber freute, daß die Kartoffeln so stark in der letzten Nacht gewachsen waren, dachte ich nur daran, daß ich sie nicht blühen, nicht abwelken, nicht geerntet sehen würde. Als ich am letzten Tage über das frisch gepflanzte Kohlfeld ging, dessen Pflanzen schlaff und verwelkt auf der Seite lagen, fiel mir ein, daß die ein ganzes Leben haben würden, während ich – Eiszeit. Steinzeit. Denn dort lebt man nicht, nicht wahr? Es ist wie eine Pause, plötzlich ist das eigene Leben zu Ende, nun muß man das Leben irgendeines andern führen, ein fremdes, befohlenes Leben – wer aber wird man dann am 20. Dezember sein, der von früher? Oder ein ganz anderer? Dazu kamen die Sorgen, ob es möglich sein würde, die Eltern über den Aufenthaltsort im unklaren zu lassen. Ich habe …

View on Amazon View on AbeBooks View on Kobo View on B.Depository View on eBay View on Walmart

Ich habe die Aufforderung zum Haftantritt seit Wochen erwartet, Tag für Tag, Stunde für Stunde, aber da ich sie nun wirklich in der Hand hielt und den Befehl las, daß ich mich spätestens am 20. Juni, bis abends sechs Uhr beim Gerichtsgefängnis Greifswald zu melden habe, fühlte ich plötzlich mein Herz wie unsinnig klopfen. Ich glaube, ich habe versucht, einige Witze zu Kagelmacher zu machen, die wohl ein wenig schief herauskamen. Dann bin ich in den Garten gegangen und habe mich in die Sonne gelegt. Noch zehn Tage hatte ich Zeit. Und trotzdem ich mich bis zur Stunde am meisten vor dem Entbehren von Zigaretten und Alkohol gefürchtet hatte, waren es doch nicht diese, die ich in den mir verbliebenen Tagen noch besonders wahrnehmen wollte, sondern das war es: Liegen in der Sonne, Meergeschmack und das Erschauen einer schönen Menschengeste. Und es war vielleicht darum, daß ich mir an Km.'s Liebesgeschichte wie beteiligt vorkam, daß es mir genügte, das Bewußtsein solcher Liebe mitzunehmen in die Eiszeit von sechs Monaten. Daß ich erst wieder am 20. Dezember frei sein würde, daß ich den ganzen Sommer, den ganzen Herbst vergessen würde, das schmerzte besonders. Wenn wir zusammen auf das Feld hinausgingen und Km. sich darüber freute, daß die Kartoffeln so stark in der letzten Nacht gewachsen waren, dachte ich nur daran, daß ich sie nicht blühen, nicht abwelken, nicht geerntet sehen würde. Als ich am letzten Tage über das frisch gepflanzte Kohlfeld ging, dessen Pflanzen schlaff und verwelkt auf der Seite lagen, fiel mir ein, daß die ein ganzes Leben haben würden, während ich – Eiszeit. Steinzeit. Denn dort lebt man nicht, nicht wahr? Es ist wie eine Pause, plötzlich ist das eigene Leben zu Ende, nun muß man das Leben irgendeines andern führen, ein fremdes, befohlenes Leben – wer aber wird man dann am 20. Dezember sein, der von früher? Oder ein ganz anderer? Dazu kamen die Sorgen, ob es möglich sein würde, die Eltern über den Aufenthaltsort im unklaren zu lassen. Ich habe …

More books from epubli

Cover of the book A Chinese cookbook for happiness and success by Hans Fallada
Cover of the book Das Bettelweib von Locarno by Hans Fallada
Cover of the book Geld verdienen mit digitalen Fotos by Hans Fallada
Cover of the book Sinnvolle Versicherungen und Investments by Hans Fallada
Cover of the book Chicago - L.A. by Hans Fallada
Cover of the book HausWärmedämmung by Hans Fallada
Cover of the book Traumwagen zum Einkaufspreis by Hans Fallada
Cover of the book Der falsche Gelehrte by Hans Fallada
Cover of the book Kurzgeschichten by Hans Fallada
Cover of the book Der Unfall am herault by Hans Fallada
Cover of the book Die doppelte Palme by Hans Fallada
Cover of the book Ziele erreichen: (HERZENS-) ZIELE ERREICHEN - DAS PRAXISBUCH! Wie Du Dich selbst finden, Deine ganz persönlichen Ziele erreichen und selbstbestimmt und glücklich leben wirst– eine Schritt für Schritt Anleitung, die Dein Leben verändert! by Hans Fallada
Cover of the book Eine grausame Wette by Hans Fallada
Cover of the book Wizzel Kien by Hans Fallada
Cover of the book Europeans at heart by Hans Fallada
We use our own "cookies" and third party cookies to improve services and to see statistical information. By using this website, you agree to our Privacy Policy