'Für alle die im Herzen Barfuß sind' - Die Rolle des Lesers in der Lyrik Reiner Kunzes

Die Rolle des Lesers in der Lyrik Reiner Kunzes

Fiction & Literature, Literary Theory & Criticism, European, German
Cover of the book 'Für alle die im Herzen Barfuß sind' - Die Rolle des Lesers in der Lyrik Reiner Kunzes by Christoph Hartmann, GRIN Verlag
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Author: Christoph Hartmann ISBN: 9783638805490
Publisher: GRIN Verlag Publication: August 30, 2007
Imprint: GRIN Verlag Language: German
Author: Christoph Hartmann
ISBN: 9783638805490
Publisher: GRIN Verlag
Publication: August 30, 2007
Imprint: GRIN Verlag
Language: German

Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: sehr gut (1,0), Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Philosophische Fakultät II), 69 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 1. Einleitung Anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises 1977 äußert Heinrich Böll in seiner Laudatio des Preisträgers Reiner Kunze: '[...] sicher möchten auch Sie gewissen und bestimmten Leuten das Lesen beibringen.'1 Wie kommt der Schriftstellerkollege Kunzes zu dieser Aussage? Diese Vermutung, die Böll über die dichterische Motivation Reiner Kunzes anstellt, hat im metaphorischen Sinne durchaus ihre Berechtigung. 'Leuten das Lesen bei[zu]bringen'2 muss in einem in BRD und DDR geteilten Deutschland der siebziger Jahre eine andere Alphabetisierung, als die im herkömmlichen Sinne meinen. Vielmehr geht es um ein 'richtiges Lesen', das als hermeneutischer Prozess einem 'Lesen' gegenübersteht, das nicht wirklich versteht und das nicht oder falsch entschlüsselt. Böll spricht Reiner Kunze das Anliegen zu, Verstehensprozesse im Leser auslösen zu wollen. Auch Heiner Feldkamp unterstellt wie Böll dem Werk Reiner Kunzes eine paradigmatische Orientierung auf ein Gegenüber, indem er in seiner Arbeit zum Gesamtwerk Kunzes dessen 'Poesie als Dialog'3 bestimmt und dies als Grundzug vor allem des lyrischen Schaffens Kunzes herausstellt. 'Das gedicht als stabilisator, als orientierungspunkt eines ichs'4 ist für den Autor, wie Feldkamp richtig herausstellt, zunächst 'Selbstvergewisserung im Monolog'5 und doch damit auch 'Selbstgespräch für andere'.6 Im Gespräch mit Bernd Kolf führt Reiner Kunze dazu aus: 'Indem Gedichte aber Versuche sind, Wirklichkeit zu bewältigen und Haltungen zu gewinnen, besteht die Möglichkeit, daß sie auch jenen, die sie nachvollziehen, helfen, zu sich selbst zu finden und sich im Leben zu orientieren.'7 Diese mögliche Selbstfindung oder -erkenntnis und die genannte Lebensorientierung im Nachvollzug des Gedichts, die für den Leser in der Rezeption Kunzescher Gedichte möglich sein soll, lässt die Frage nach deren Genese aufkommen. Auf welche Weise kommt es zu Prozessen im Bewusstsein des Lesers, die die Ausbildung einer Haltung der Bewältigung und Orientierung ermöglichen? Diese Frage ist nicht zu beantworten, ohne eine ihr übergeordnete Frage zu stellen: [...]

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Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: sehr gut (1,0), Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Philosophische Fakultät II), 69 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 1. Einleitung Anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises 1977 äußert Heinrich Böll in seiner Laudatio des Preisträgers Reiner Kunze: '[...] sicher möchten auch Sie gewissen und bestimmten Leuten das Lesen beibringen.'1 Wie kommt der Schriftstellerkollege Kunzes zu dieser Aussage? Diese Vermutung, die Böll über die dichterische Motivation Reiner Kunzes anstellt, hat im metaphorischen Sinne durchaus ihre Berechtigung. 'Leuten das Lesen bei[zu]bringen'2 muss in einem in BRD und DDR geteilten Deutschland der siebziger Jahre eine andere Alphabetisierung, als die im herkömmlichen Sinne meinen. Vielmehr geht es um ein 'richtiges Lesen', das als hermeneutischer Prozess einem 'Lesen' gegenübersteht, das nicht wirklich versteht und das nicht oder falsch entschlüsselt. Böll spricht Reiner Kunze das Anliegen zu, Verstehensprozesse im Leser auslösen zu wollen. Auch Heiner Feldkamp unterstellt wie Böll dem Werk Reiner Kunzes eine paradigmatische Orientierung auf ein Gegenüber, indem er in seiner Arbeit zum Gesamtwerk Kunzes dessen 'Poesie als Dialog'3 bestimmt und dies als Grundzug vor allem des lyrischen Schaffens Kunzes herausstellt. 'Das gedicht als stabilisator, als orientierungspunkt eines ichs'4 ist für den Autor, wie Feldkamp richtig herausstellt, zunächst 'Selbstvergewisserung im Monolog'5 und doch damit auch 'Selbstgespräch für andere'.6 Im Gespräch mit Bernd Kolf führt Reiner Kunze dazu aus: 'Indem Gedichte aber Versuche sind, Wirklichkeit zu bewältigen und Haltungen zu gewinnen, besteht die Möglichkeit, daß sie auch jenen, die sie nachvollziehen, helfen, zu sich selbst zu finden und sich im Leben zu orientieren.'7 Diese mögliche Selbstfindung oder -erkenntnis und die genannte Lebensorientierung im Nachvollzug des Gedichts, die für den Leser in der Rezeption Kunzescher Gedichte möglich sein soll, lässt die Frage nach deren Genese aufkommen. Auf welche Weise kommt es zu Prozessen im Bewusstsein des Lesers, die die Ausbildung einer Haltung der Bewältigung und Orientierung ermöglichen? Diese Frage ist nicht zu beantworten, ohne eine ihr übergeordnete Frage zu stellen: [...]

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